Lea, die Kommunikationsdienstleisterin

Wenn ich auf Formularen meinen Beruf angeben soll, weiß ich nie, was ich schreiben soll. In letzter Zeit habe ich mich mit mir selbst auf “Kommunikationsdienstleisterin” geeinigt. Das umfasst am besten die vielen verschiedenen Dinge, die ich tue.

Ich habe Kommunikationswissenschaft studiert und mache irgendwie immer schon Öffentlichkeitsarbeit. Schon in der Schule schrieb ich gelegentlich Berichte und Beiträge für Zeitschriften, machte ein Praktikum bei einem lokalen Radiosender und diskutierte vor Publikum. Im Studium war ich in der studentischen Selbstverwaltung, also im AStA, im Studierendenparlament und in allen möglichen Gremien aktiv, wo natürlich auch Texte für Flyer, Infobroschüren, regelmäßige Publikationen oder die Presse produziert werden mussten. Nach dem Studium setzte sich das in meiner Arbeit für verschiedene Vereine fort – egal, wo ich hin komme, ich habe nach kurzer Zeit den Hut der Pressesprecherin auf.

Unter Anderem damit verdiene ich nun seit einiger Zeit auch mein Geld. Vor einem Jahr habe ich mich selbstständig gemacht und biete als Einpersonenfirma diverse Dienstleistungen an. Alle haben mit Kommunikation und Text zu tun. Ich schreibe redaktionelle Beiträge, Pressemitteilungen, Webcontent und Briefe/Newsletter oder erkläre anderen Leuten in Workshops, wie sie am besten Öffentlichkeitsarbeit machen. Ich berate aber auch Menschen, Gruppen und Unternehmen zu Inklusion und zum Umgang mit menschlicher Vielfalt und Unterschiedlichkeit. Außerdem übersetze ich Texte vom Englischen ins Deutsche. Das ist recht praktisch, da mein Partner in umgekehrter Richtung übersetzt. Er als Englischer Muttersprachler und ich als Deutsche Muttersprachlerin können uns gegenseitig gut unterstützen, wenn eine*r von uns mal ein Übersetzungsproblem hat.

Ein Schwerpunkt, den ich aus einem früheren Job mitgenommen habe, ist die Übersetzung komplizierter Texte in Leichte oder Einfache Sprache. Leichte Sprache ist ein sehr stark vereinfachtes Sprachniveau mit festen Regeln. Sie richtet sich an Menschen mit geistigen Behinderungen, funktionalem Analphabetismus oder an Menschen, die eine andere Muttersprache haben und noch nicht so gut Deutsch können. Einfache Sprache ist ein etwas höheres, aber immernoch sehr leicht verständliches Sprachniveau. Weil Inklusion immer wichtiger wird, lassen immer mehr Institutionen und Unternehmen ihre Texte in diese vereinfachten Sprachniveaus übersetzen. Es gibt also plötzlich auch Übersetzungen innerhalb einer Sprache, was ich mit meinem sprachwissenschaftlichen Hintergrund sehr spannend finde.

Als ich mir vor mehr als 15 Jahren überlegt habe, für den Rest meines Lebens etwas mit Sprache zu machen, war mir nicht klar, wie sich Computer und die entsprechenden Hilfsmittel weiterentwickeln würden. Ich dachte, Text werde ich immer bearbeiten können, ob mit Vergrößerung (was damals noch ging), in Brailleschrift oder mit Sprachausgabe. Inzwischen sind die meisten Jobs im Textbereich aber auch irgendwie mit Layout, Bildbearbeitung oder visuellen Elementen verbunden. Da ich wegen dieser Anforderungen bei vielen potentiellen Arbeitgeber*innen abgeblitzt bin, habe ich mich letztendlich für die Freiberuflichkeit entschieden. Das erfordert eigentlich mehr Selbstdisziplin und -organisation, als ich habe, aber mit einem erfahrenen Selbstständigen an meiner Seite fasse ich so langsam Fuß.

Auch als Freiberuflerin fällt mir die visuelle Welt aber oft auf die Füße. Alle Übersetzungstools arbeiten z.B. mit verschiedenen Textfarben, mehreren parallel wichtigen Textfenstern und sonstigem Schnickschnack. Dazu kommt die übliche Zickerei von Jaws – andere Screenreader mögen das hinkriegen, aber der Test steht für mich noch aus. Selbst in einem vermeintlich nicht visuellen Bereich wie der reinen Texterei gibt es inzwischen also ein paar Hürden – dennoch würde ich sagen, die Richtung ist für blinde Menschen nicht abwegig. Kommunikation, Sprache und Text sind und bleiben wichtig, denn nur mit diesen Mitteln können Menschen sich miteinander verbinden, sich austauschen und etwas bewirken. Kommunikation als Beruf macht einfach Spaß.

Das Handwerkszeug für meine momentanen Tätigkeiten kommt natürlich zu großen Teilen aus meinem Magisterstudium. Vieles habe ich aber auch “on the job” gelernt oder mir einfach aus Interesse angeeignet. Interesse und Faszination für ein Thema oder einen Bereich halte ich für die wesentliche Grundlage jedes Berufs – zumindest, wenn der Beruf eine Berufung ist und mensch wirklich motiviert an die Dinge herangeen will. Kommunikations- und Sprachwissenschaft ist natürlich nur etwas für Leute, die sich für Kommunikation und Sprache begeistern und sich gerne mit Hintergründen und philosophischen Betrachtungen dazu auseinandersetzen. Dafür braucht es nicht unbedingt ein Studium, aber es hilft sehr und wird von Arbeitgeber*innen erwartet. Für Menschen, die gerne denken, schreiben und mit Anderen kommunizieren, sich um Verständlichkeit und Vermittlung von Inhalten bemühen und Andere dabei unterstützen wollen, sich auszudrücken, ist meine Berufsrichtung jedenfalls perfekt – auch wenn es keinen vernünftigen Namen dafür gibt 🙂

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